Den inhaltlichen Impuls des Panels „Demokratie im Feed – Entscheidet TikTok über unsere Demokratie?“ auf den Münchner Medientagen 2025 lieferte Professor Klaus Goldhammer (Goldmedia) mit der Vorstellung einer Studie, die im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) erstellt wurde. Die Studie untersuchte Video-Posts von Politikerinnen, Politikern und Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl 2025. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede in der Präsenz der Parteien auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen. In der Tonalität ihrer Beiträge zeigen die Parteien hingegen Übereinstimmung: Statt auf informative und sachliche Inhalte setzten sie überwiegend auf emotionale und ausdrucksstarke Botschaften.
Zur Studie
Sonderanalyse: Video-Posts von Politiker:innen und Parteien
Beeinflussen soziale Medien Wahlen?
Auch wenn in sozialen Medien unbestritten Themen geprägt und Sichtbarkeiten geschaffen werden, betonte bidt-Direktor Professor Andreas Jungherr, dass empirisch nicht belegt sei, dass soziale Medien Wahlen entscheiden. Vielmehr wirkten sie als Katalysator gesellschaftlicher Stimmungen und tieferliegender Unzufriedenheiten. Technische Räume seien zwar Ausdruck politischer Prozesse, ein zu starker Fokus auf die Technik verdecke jedoch den Blick für die eigentlichen politischen Ursachen und Inhalte.
Natürlich haben soziale Medien Einfluss und verändern Politik – das darf man nicht ignorieren. Doch die Ursachen für die Phänomene, die wir beobachten und die uns Sorgen bereiten, liegen tiefer als die Technik, auf der sie sichtbar werden.
Prof. Dr. Andreas Jungherr
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Soziale Medien seien damit Symptom, nicht Ursprung politischer Polarisierung, betonte Jungherr. Einfache Erklärungen, die Wahlergebnisse ausschließlich auf den Einsatz sozialer Medien zurückführen, griffen zu kurz und lenkten ab von den notwendigen politischen Antworten.
Für den Erfolg politischer Akteurinnen und Akteure in den sozialen Medien diskutierte Jungherr zwei mögliche Erklärungsmuster, die sich seiner Einschätzung nach nicht klar voneinander trennen ließen. Einerseits passe die Kommunikationsweise populistischer Akteurinnen und Akteure besonders gut zu den algorithmischen Mechanismen der Plattformen. Infolgedessen seien populistische Inhalte besonders erfolgreich in den sozialen Netzwerken. Eine andere Erklärung gehe davon aus, dass bestimmte Parteien unter einem besonders hohen evolutionären Druck stünden, neue Kommunikationswege zu finden. Jungherr verwies auf „Die Linke“ als anschauliches Beispiel. Die Partei habe zu Jahresbeginn vor erheblichen Herausforderungen gestanden, sich jedoch durch die Entwicklung neuer Strategien und digitaler Formate neu positioniert. Der äußere Druck habe dabei als Innovationsimpuls gewirkt.
Dadurch, dass wir so viele neue Werkzeuge haben, die einen kommunikativen Vorteil bieten können, haben wir es in Wahlkämpfen mit einem Innovationsbonus zu tun.
Prof. Dr. Andreas Jungherr
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Dieser Bonus entstehe, weil neue digitale Räume zunächst unbesetzt seien und wer sie früh nutze, verschaffe sich einen Vorsprung. Große Parteien hingegen zeigten hier häufig Trägheit, da sie weder Innovationslust noch Innovationsnotwendigkeit verspürten.
Strategien für einen demokratischeren digitalen Raum
Die Abschlussrunde des Panels widmete sich der Frage: „Wenn Sie einen Hebel hätten, mit dem Sie den digitalen Wahlkampf demokratischer machen könnten, wo würden Sie ansetzen?“.
Jungherrs Vorschlag: Um mehr Kontrolle, mehr Demokratie und mehr Formungspolitik zu erreichen, müsse man bei der europäischen Wirtschafts- und Innovationspolitik ansetzen. Europa sei derzeit stark fragmentiert, während die politische Öffentlichkeit auf ausländischen Plattformen stattfinde, auf die europäische Regeln kaum Einfluss hätten. Die Europäische Union müsse sich stärker darauf konzentrieren, wie sich Technik- und Innovationsbereitschaft in Europa fördern lasse, um wieder über eigene technologische Möglichkeiten zu verfügen. Jungherrs Forderung nach einer europäischen Innovationspolitik ergänzte Markus Beckedahl um den Appell nach stärkerer Regulierung und Transparenz. Macht müsse begrenzt werden, betonte er – durch konsequente Anwendung von Kartell- und Wettbewerbsrecht sowie durch klare Regulierung von Algorithmen. Das Ziel müsse die Unabhängigkeit Deutschlands und Europas von einigen wenigen Unternehmen aus dem Ausland sein, die Plattformen geschaffen haben, denen nicht mehr vertraut werden könne.
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Zum Forschungsprojekt
Generative Künstliche Intelligenz im Wahlkampf: Anwendungen, Präferenzen und Vertrauen (AI Wahlkampf)
Der Beitrag bidt-Direktor Andreas Jungherr auf Panel der Medientage München 2025 erschien zuerst auf bidt DE.
