Digitalisierung als Chance: Wie eine App die Palliative Care unterstützen kann

Das Forschungsprojekt „PALLADiUM“ widmete sich der Frage, wie man die multiprofessionelle Kollaboration auf einer Palliativstation mithilfe der Digitalisierung unterstützen kann. Als Lösung entwickelte das interdisziplinäre Forschungsteam, bestehend aus Experten aus Medizin, Soziologie und Wirtschaftsinformatik, eine Mobile App, die die Kommunikation und Zusammenarbeit verbessern soll.

Zum Abschluss des vom bidt geförderten Projekts sprachen wir mit Professor Henner Gimpel, Lehrstuhlinhaber für Digitales Management an der Universität Hohenheim, Professor Christoph Ostgathe, Lehrstuhlinhaber der Palliativmedizin und Leitung der Palliativmedizinischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen sowie Professor Werner Schneider, Professor für Soziologie an der Universität Augsburg.

Was war der Fokus des Forschungsprojekts?

Prof. Dr. Werner Schneider: Das Forschungsprojekt zielte auf folgende grundlegende Fragen: Wie kann Digitalisierung in multiprofessionellen Arbeitsumgebungen unterstützend wirken? Welche Vorteile und Erträge sind erkennbar? Welche Risiken oder gar Grenzen sind zu beachten? Unsere Ausgangsüberlegung war, dass sich das Arbeitsfeld der Palliative Care, also der Betreuung von Menschen am Lebensende durch multiprofessionelle Teams, besonders eignet, denn: Anders als bspw. bei industriellen Fertigungsprozessen geht es dabei um eine Versorgungsform für Menschen, die sich mit ihren Angehörigen in einer existenziellen Krise befinden und mit ihren jeweiligen Bedarfen, Bedürfnissen und Wünschen im Zentrum des „Arbeitsprozesses“ stehen.  In diesem Sinne erschien uns der exemplarische Blick in eine Palliativstation mit der dortigen medizinisch-pflegerischen Versorgung bis hin zur psycho-sozialen Begleitung der Patienten durch ein hochspezialisiertes Team als ein aussagekräftiges Forschungsfeld für Fragen rund um Digitalisierung.

Prof. Dr. med. Christoph Ostgathe: Die Palliativmedizin ist eine Form der Medizin, die bei Menschen mit schwerer, in aller Regel unheilbarer Erkrankung den Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität in den Mittelpunkt stellt. Sie hat sich in den 1960er Jahren parallel zur Intensivmedizin entwickelt, bei der großer technischer Aufwand dem Ziel dient, das Leben zu erhalten. Die Palliativmedizin hat sich in dieser Zeit, da die Behandelnden-Patientenbeziehung und weniger das technisch Mögliche im Vordergrund steht, bewusst eher technik- und digitalisierungsfern entwickelt. Nachdem sich Technologien weiterentwickelt haben, war die Überlegung: Wie können wir in die Prozesse der Arbeit einer Palliativstation moderne Digitalisierungsansätze integrieren? Was sind hierfür Gelingensvoraussetzungen?    

Der zweite Teil ist, dass in medizinischen Teams wesentliche Teile des Informationsaustauschs oft   zwischen Tür und Angel stattfinden; die Möglichkeiten der Digitalisierung werden bisher wenig genutzt. Die Krankenhausinformationssysteme enthalten natürlich alle Daten, aber das, was im Gespräch u. a. zwischen Ärztinnen und Ärzten und Pflegenden passiert und das, was sich an Daten im Krankenhausinformationssystem befindet, wird bisher nicht schnell und sinnvoll zusammengebracht.

Wie war Ihre Herangehensweise?

Prof. Dr. Henner Gimpel: Wir haben zunächst analysiert, wo die Probleme in der Zusammenarbeit liegen. Vieles lief fantastisch gut, aber nicht überall. Wenn die Teammitglieder sich zwischen Tür und Angel absprechen ist das kurzfristig gut, aber es gehen viele Informationen verloren, weil die Dokumentation in der Patientenakte nicht das ganze Bild wiedergibt. Diese Herausforderungen haben wir uns im Detail angeschaut: An welchen Stellen gibt es Probleme in der Informationsweitergabe, wo fehlt es an Handlungssicherheit und was sind die Folgen?

Ostgathe: Der Ansatz des Projekts war: Wir haben diese unterschiedlichen Perspektiven und Berufsgruppen im Feld: Ärzte, Pflegende, Sozialarbeiter, Seelsorger, Physiotherapeuten, Psychologen. Und jeder schaut natürlich aus seiner eigenen Berufsperspektive auf den Patienten. Wie können wir deren Informationen so sammeln, so zusammenführen und unmittelbar am Patienten verfügbar machen, dass wir gemeinsam im besten Sinne der Patienten mit einer besseren Lebensqualität, mit einem besseren Gefühl handeln können?

Gimpel: Aus vielen anderen Lebens- und Arbeitsbereichen ist digitale Technik gar nicht wegzudenken. In der Palliativversorgung wird sie bisher noch relativ wenig eingesetzt, weil viele Programme dafür nicht richtig geeignet sind. Krankenhausinformationssysteme sind im Wesentlichen für Dokumentation und Abrechnung gedacht, nicht aber für die Zusammenarbeit. Andere Programme wie Microsoft Teams sind auf Zusammenarbeit ausgerichtet, passen aber nicht in den Kontext eines Krankenhauses und einer Palliativstation.

Daher war die Frage: Wie schaffen wir für diesen Kontext ein digitales System, welches die Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt, unter Berücksichtigung wichtiger Rahmenbedingungen wie Datenschutz und Vertraulichkeit? Auch die bewusste Zentrierung auf die ganzheitlich zu betrachtende Situation der an ihrem Lebensende stehenden Menschen wollten wir nicht konterkarieren. Das heißt, es ging uns nicht darum, dass wir den Patientinnen und Patienten ein Smartphone in die Hand drücken, damit sie dort eingeben können, wie es ihnen geht. Wir wollten auch nicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Palliativstation immer mit dem Smartphone vor den Patienten stehen und nicht die teils überbordende Last von immer mehr Dokumentation erhöhen.

Digitalisierung soll im Hintergrund erfolgen und Menschen helfen.

Prof. Dr. Henner Gimpel
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Schneider: Damit eng verbunden ist für uns die Unterscheidung zwischen Information und Wissen. Unser Ziel war es, dieses technische System nicht einfach mit den verschiedensten abrufbaren Informationen zu füttern, sondern diese so aufzubereiten, dass sie in ihrer Genese und ihrem Zusammenhang für die Teammitglieder transparent werden, da erst daraus handlungsrelevantes Wissen entsteht: Wissen, das eine fundierte Basis für die Deutung (Was ist der Fall?) und für die Handlungsoptionen (Was ist zu tun?) bietet und über ein reines Informations- und Dokumentationssystem hinausgeht.

Sie haben dann eine Mobile App als Lösung entwickelt. Welche Funktionen hat diese und wie hat sich die Arbeit der multiprofessionellen Teams durch sie verändert?

Gimpel: Wir haben eine Mobile App implementiert, die das Team bei Kommunikation und Kollaboration unterstützt, spezifisch zugeschnitten auf die Palliativbedürfnisse. Dafür haben wir viel mit dem Team gesprochen, es bei der alltäglichen Arbeit begleitet, beobachtet und überlegt, welche Funktionen und welche Unterstützung es bräuchte. Das haben wir in einen Softwareprototypen gegossen, diesen immer wieder auch in Zwischenschritten dem Team gezeigt, besprochen und am Ende noch einmal evaluiert, wie die App konkret die Zusammenarbeit verändert.

Ostgathe: Wenn ich mich im Moment morgens über das Befinden einer Patientin informieren will, öffne ich ihre Patientenakte und sehe eine Liste mit 250 Informationen: Da habe ich 16 Symptome und für jede Schicht steht da eine Zahl drin. Ich kann also nicht mit einem Blick erfassen, wie es der Patientin im Moment geht. Und das ist der Ansatz der App: Darin wird besser visualisiert, welche Problembereiche mehr werden, z. B. durch Wortwolken: Ich erkenne sofort, dass z. B. der Schmerz mehr geworden ist und andere Probleme weniger geworden sind. Das kann ich innerhalb von acht Sekunden sofort optisch erfassen.

Schneider: Statt also eine Fülle von Einzelinformationen nur tabellarisch darzustellen, werden sie in unterschiedlichen Formaten aufbereitet. Dadurch entsteht ein ganzheitliches Bild, das sofort gemeinsam im Team besprochen werden kann. Die genannte simple Unterscheidung zwischen Information und Wissen ist in der Arbeitspraxis von multiprofessionellen Teams keineswegs trivial. In solchen Teams hat jede Profession eine eigene Perspektive darauf, welche Informationen wie wichtig und für welche Handlungsoptionen als wie relevant zu erachten sind. Somit verbindet jede berufliche Perspektive die jeweils vorliegenden Informationen mit bestimmten Bedeutungen, die – in der alltäglichen Arbeitspraxis – möglichst transparent verhandelt, miteinander vermittelt und letztlich zusammengeführt werden müssen, um zu einer Entscheidung bezüglich des weiteren Behandlungsprozesses zu gelangen. Der Funktionsgewinn einer solchen App besteht genau darin: Sie unterstützt diesen Prozess.

Gimpel: Die App ist einerseits ein Interface, also eine Schnittstelle zum Krankenhausinformationssystem. Andererseits erweitert sie dieses um zusätzliche Funktionalitäten, z. B., dass ich für einen Eintrag, den ich gerade in die Patientenakte mache, eine Benachrichtigung an jemand anderen schicken kann. So stößt er nicht zufällig beim Lesen der gesamten Patientenakte darauf, sondern wird direkt benachrichtigt. Vorstellbar ist, dass so etwas von den Herstellern auf Dauer im Krankenhausinformationssystem integriert oder zusätzlich angeboten wird. Wir brauchen für eine moderne, am Wohl der Patienten orientierte Zusammenarbeit mehr Funktionalitäten der IT, als es die Krankenhausinformationssysteme bisher liefern.

Was waren Herausforderungen, die sich im Projektverlauf ergeben haben?

Ostgathe: Eine Herausforderung war der Faktor Mensch. Wir haben exemplarisch mit zwei Palliativteams gearbeitet. In diesen Teams gab es die Technikaffinen, die sich freuen, mitdenken und mögliche Benefits sehen. Gleichsam gab es eine etwa genauso große Gruppe die sagte, wofür brauchen wir denn sowas? Eine Sorge war auch, dass die Dokumentationszeit mehr statt weniger wird.

Gimpel: Eine weitere Challenge war die User Experience. Wir wollten eine möglichst einfache, übersichtliche, für jeden bedienbare Oberfläche und Interaktion hinbekommen. Das hat ein paar Iterationen gebraucht. Zudem hat uns das Thema Datenschutz viel beschäftigt: Um das System so authentisch wie möglich zu machen, wollten wir darin mit echten Daten arbeiten, auch um für die Evaluation realistische Patientenfälle nutzen zu können. Zum Ende hin haben wir es geschafft, dass unter hohen Auflagen Daten aus dem Krankenhausinformationssystem des Uniklinikums extrahiert und uns als klinikexternem Projektpartner übergeben wurden. Für den Dauerbetrieb müsste die App über Programmier- und Datenschnittstellen live ans Krankenhausinformationssystem angeschlossen werden. Das ist grundsätzlich machbar, war aber im Forschungsprojekt nicht unser Fokus.

Ostgathe: Die Anonymisierung der Patientendaten war sehr aufwendig. Sie war aber auch sehr wichtig. Innerhalb des Universitätsklinikums Erlangen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich klare Regeln und Verschwiegenheitspflichten. Aber wir wollten ja auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus Augsburg zusammen auf die Daten schauen, sie in die App integrieren und in Evaluationen betrachten. Das haben wir dann über die Anonymisierung geschafft. Das hat die Entwicklung und Evaluation des Demonstrators positiv beeinflusst.

Haben sich die Einstellungen der Mitarbeitenden im Laufe des Projekts geändert?

Ostgathe: Das Projekt wurde bei uns im Team sehr positiv aufgenommen, weil es auch selbstreflexiv war. Es ging nicht nur darum, eine App zu entwickeln, sondern auch, dass wir darüber nachdenken, wie wir kommunizieren. Und Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil von Zusammenarbeit und Kollaboration.

Gimpel: Wir konnten die anfängliche Skepsis bezüglich des Dokumentationsaufwands ein Stück weit abbauen, als das Team gemerkt hat, dass wir extrem darauf fokussiert sind, was der täglichen Arbeit hilft und dass wir nicht daran interessiert sind, Digitalisierung um der Digitalisierung willen zu machen, sondern, dass wir gesagt haben, es geht hier um die Menschen und eine gute Versorgung.

Haben Sie auch Künstliche Intelligenz eingesetzt?

Gimpel: Es ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Palliativstation wichtig, ein Bild davon zu erlangen, wie es den Patientinnen und Patienten geht. Das geht auf verschiedene Arten: einerseits durch die Einschätzung des aktuellen Zustands der Patienten anhand von quantifizierten Normskalen. Andererseits können wir mittels Künstlicher Intelligenz, konkret mittels Large Language Models und Softwareagenten, Informationen aus den Freitexten analysieren und aggregiert darstellen. Umgekehrt kann man diese Freitexte in den gleichen Large Language Models verarbeiten, um eine professionsspezifische Aufbereitung der Patientenakte zu erhalten, um Arbeitszeit zu sparen, aber gleichzeitig die Informationsübermittlung und den Wissensgewinn durch das Lesen dieser Aufbereitung zu erhöhen.

Ostgathe: Das geht sogar über die unstrukturierten Daten und die Symptome hinaus. Ein Krankenhausinformationssystem ist ein Goldschatz. Da ist alles drin – die Röntgenbilder, das Labor, die Therapien, die Interventionen. Da steht auch drin, wie die familiäre Struktur ist. Und wir wissen heute über Modellierung, dass wir zum Beispiel aus diesen Daten mit KI mit recht hoher Genauigkeit herauslesen können, ob jemand einen palliativmedizinischen Bedarf hat, ohne dass jemand sagt, der Patient hat Bedarf. Wünschenswert wäre so etwas wie eine Ampel: Grün – der Betroffene brauchtnichts, Orange – ja, könnte sein, und Rot, – da wäre es gut, wenn das Palliativteam dazukommt. Wenn wir solche Systeme nutzen und diesen Schatz heben und dann professionsspezifisch aufarbeiten könnten, das wäre wunderbar. Ansonsten sind das alles verlorene Informationen.

Wie geht es jetzt weiter? Gibt es schon Pläne oder Anschlussprojekte?

Ostgathe: Durch den Sog, den das Projekt entwickelt hat, wurde extrem viel in Bewegung gesetzt.

Gimpel: Die App hat demonstriert, was machbar und sinnvoll ist und hat uns geholfen, darüber zu publizieren. Sie ist aber nur ein Forschungsprototyp und nicht weiter im Einsatz. Das ist natürlich schade. Dafür hatten wir schon Kontakt mit Herstellern von Krankenhausinformationssystemen oder anderen Unternehmen. Wir freuen uns, wenn jemand Ideen und Erkenntnisse von uns aufgreift, solche IT-Systeme professionell entwickelt und zum Einsatz bringt. Dann geht es am Ende Mitarbeitenden und Patienten besser. Das ist das Ziel.

Ostgathe: Wir sind auch der Meinung, dass es skalierbar ist. Das ist nicht ausschließlich für die Palliativversorgung von Bedeutung, das könnte auch für den Bereich der Notfallmedizin, der Intensivstation oder sonstige Bereiche, wo natürlich andere Schwerpunkte sind, skaliert werden. Davon bin ich überzeugt.Schneider: Aus soziologischer Perspektive war der Einsatz des Funktionsdemonstrators und die Evaluation am Ende ein interessanter und wichtiger Punkt, denn damit war ansatzweise erkennbar, wie die professionellen Akteure in ihrer beruflichen Praxis mit einer solchen App konkret umgehen. Es hat sich gezeigt, dass es tatsächlich für ein multiprofessionelles Team hilfreich ist, ein technisches Tool zu haben, das über die reine informative Servicefunktion hinausgeht.

Ostgathe: Bei uns auf der Palliativstation in Erlangen hat sich durch das Projekt sehr viel verändert. Durch die Selbstreflexion über unsere Kommunikationsstrukturen innerhalb des Teams und den Informationsaustausch nutzen wir die bestehenden Systeme, solange wir noch nicht die App haben, nun viel stärker für unseren fachlichen Austausch. Wir hatten den Glücksfall, dass wir in der Zeit auch noch unser Krankenhausinformationssystem geändert haben. Wir konnten dieses stärker an das anpassen, was wir in PALLADiUM gelernt haben. Jetzt nutzen wir gemeinsam die Daten und überlegen gemeinsam, was gerade wichtig ist: Was ist das Ziel, wie ist die Symptomlast, wie ist der Patient dadurch belastet? Jetzt nutzen wir das System soweit möglich als Kommunikationstool.

Aus Sicht der beteiligten Praktiker – so die Rückmeldung bei der Evaluation kurz zusammengefasst – wurde die Zusammenarbeit, Kommunikation und Interaktion in diesem Team durch die App in zweifacher Weise unterstützt: Zum einen durch die Art und Weise, wie sie Informationen zueinander in Beziehung setzt, und zum anderen, dass damit innerhalb des Teams handlungsrelevantes Wissen einfacher und anschaulicher generiert und gemeinsam geteilt werden kann.

Prof. Dr. Werner Schneider
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Gimpel: Der Austausch in der wissenschaftlichen Community war uns auch wichtig. Mit den Beiträgen, die wir bereits publiziert haben oder die gerade in Begutachtung sind, haben wir Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Disziplinen auf dieses Schnittstellenthema gebracht. In der Wirtschaftsinformatik, aus der ich komme, denkt klassischerweise niemand über Palliativmedizin nach. Durch unsere Veröffentlichungen und die Konferenzen, zu denen wir gehen, tun das jetzt mehr. Umgekehrt haben wir in der Palliative-Care-Community auch Veranstaltungen organisiert und Personen zusammengebracht und für Digitalisierung begeistert. Ich hoffe, dass wir damit Impulse in der wissenschaftlichen Community setzen konnte, damit noch mehr Personen auf dieses Thema aufspringen und wir weiter vorankommen.

Ostgathe: Wir haben mit PALLADiUM international auf Kongressen Veranstaltungen gehalten, z. B. 2024 in einem Workshop auf dem Weltkongress Palliative Care der EAPC in Barcelona – mit dem Ergebnis, dass es in der wesentlichen Fachzeitschrift eine Sonderausgabe zum Thema Digitalisierung und KI in der Palliativversorgung geben wird. Im Oktober 2024 konnte ich außerdem an einer von der EU-Kommission organisierten Veranstaltung über die „EU Cancer Mission“ teilnehmen. Dort hatte ich die Chance, bei Projekten im Technologiebereich unter der Überschrift „Innovations in Palliative Care“ u. a. auch PALLADiUM vorstellen zu können.

Welchen Stellenwert hatte die Interdisziplinarität für Ihr Projekt?

Gimpel: Ich glaube, dass der interdisziplinäre Zusammenschluss, den wir hier hatten, goldrichtig war. Dafür brauchten wir die Medizin als Disziplin, aber auch das ganze Team in Erlangen mit all den anderen Professionen. Sonst wären wir chancenlos damit gescheitert, zu verstehen, was wirklich in diesem Kontext notwendig ist. Wir brauchten die Soziologie, um das Zusammenspiel der Menschen untereinander gut zu verstehen. Es ist zutiefst soziologisch, wie diese Kommunikations- und Kollaborationsprozesse laufen und die Forschungsmethoden, die die Soziologinnen und Soziologen verwenden, waren für das Verständnis der Arbeitsabläufe, der Herausforderungen und auch für die Reflexion von Lösungsansätzen essenziell. Ohne uns aus der Wirtschaftsinformatik hätte es auch nicht funktioniert, weil wir Theorien und einen Blick dafür haben, wie moderne IT-Systeme aussehen sollten, weil wir sie designen und als Prototypen entwickeln und umsetzen konnten. Von daher war dieses Zusammenspiel enorm wichtig. Aber wie immer in der interdisziplinären Zusammenarbeit ist sie auch herausfordernd, weil wir aus unterschiedlichen Theorien und Methodiken auf das gleiche Thema schauen.

Die Interdisziplinarität ist super spannend, weil man erst mal lernen muss, die Sprache des Anderen zu verstehen. Das fand ich extrem bereichernd. So macht Forschung aus meiner Perspektive am meisten Spaß. Dann wird es wirklich spannend und dann entstehen neue Dinge.

Prof. Dr. med. Christoph Ostgathe
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Welche Bedeutung hatte das bidt und die Förderung?

Ostgathe: Nur die Ideen reichen nicht, es braucht dann auch die finanzielle Unterstützung. Was sicherlich dem Projekt auch geholfen hat – da ist das bidt beispielgebend – dass man immer wieder rückgebunden wird. Es wird nicht nur gefördert und dann gibt es einen Zwischen- und einen Abschlussbericht – in den Sprint Reviews berichtet man immer wieder und hört auch, was die anderen Projekte machen. Da hat sich auch an verschiedenen Stellen eine Kooperation oder ein Austausch ergeben, was natürlich auch das eigene Projekt bereichert – und vielleicht in Zukunft auch noch mal zu neuen Anträgen führt. Die gesellschaftlichen Dimensionen der Themen scheinen dem bidt wichtig zu sein. Für uns als „Palliative“ war dieses Projekt ein echter Katalysator.

Gimpel: Es braucht auch viel Zeit der Zusammenarbeit, insbesondere im interdisziplinären Bereich, um richtig tief in die Inhalte reinzukommen, und damit dann auch Mehrwert stiften zu können. Und diese viele Zeit der Zusammenarbeit, die man braucht, die konnten wir uns mit den Mitteln, die das bidt bereitgestellt hat, ermöglichen.

Welche Rolle spielte die Vernetzung und Zusammenarbeit, insbesondere zwischen den bayerischen Universitäten?

Gimpel: Es war einfach eine Bereicherung: Dadurch habe ich einige Kolleginnen und Kollegen an anderen bayerischen Unis kennengelernt. Und das ist auch jenseits der Projektergebnisse für die Netzwerkbildung unter Forschenden sehr wichtig.

Ostgathe: Ich bin mir sicher, dass wir auf diesen Pool der am bidt geknüpften Kontakte auch in Zukunft zurückgreifen werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Vivien Lingelbach

Forschungsprojekt

Palliative Care als digitale Arbeitswelt: Perspektiven & Gestaltungsmöglichkeiten der digitalen Transformation von Kommunikations- und Kollaborationsprozessen in der multiprofessionellen Versorgung der letzten Lebensphase (PALLADiUM)


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