Die Forschungsgruppen um Wolfgang Kastenmüller und Georg Gasteiger beobachteten mit innovativen Mikroskopietechniken, wie spezielle Immunzellen, sogenannte T-Zellen, bei einer viralen Erkrankung aktiviert und vervielfältigt werden, und stießen dabei auf bislang unbekannte Vorgänge: Das Immunsystem vermehrt seine Abwehrzellen viel gezielter als gedacht.
T-Zellen vermehren und spezialisieren sich während der Immunreaktion
T-Zellen sind wichtige Abwehrzellen des Immunsystems. Um gezielt infizierte Zellen zerstören zu können, müssen sie sich vermehren und spezialisieren. Dieser Prozess nennt sich T-Zell-Priming und beginnt, wenn T-Zellen in den Lymphknoten auf sogenannte dendritische Zellen (DCs) treffen. Diese Zellen präsentieren ihnen Antigene, also Bruchstücke von Erregern, und aktivieren die T-Zellen durch verschiedene Signale.
Die Aktivierung dauert etwa 24 Stunden. In dieser Zeit bleiben die T-Zellen mit den DCs in Kontakt und erhalten Instruktionen, um sich zu spezialisieren. Danach lösen sie sich, wandern weiter und vervielfältigen sich schnell. Einige entwickeln sich zu Effektorzellen, die sofort gegen Erreger kämpfen, andere werden zu Gedächtniszellen, die bei einer erneuten Infektion schnell reagieren können.
Nur die besten T-Zellen werden ausgewählt
Das Immunsystem steht dabei vor der Herausforderung, aus einer ungeheuer großen Anzahl von individuell unterschiedlichen T-Zellen rasch diejenigen zu identifizieren, die einen bestimmten Erreger spezifisch erkennen können. Diese werden dann im sogenannten „Priming“ als Klone vermehrt.
Katarzyna Jobin und Deeksha Seetharama sind die Erstautorinnen der Studie. „Wir haben herausgefunden, dass es nicht nur eine Phase bei der Aktivierung von T-Zellen gibt, sondern zwei“, beschreibt Deeksha Seetharama. „Während die erste Phase des Primings dazu dient, möglichst viele spezifische T-Zellen zu aktivieren, dient die neu entdeckte zweite Phase dazu diejenigen zu selektionieren und gezielt weiter zu vermehren, die das Pathogen am besten erkennen können. So wird sichergestellt, dass die Immunantwort möglichst effizient ist“, fasst Katarzyna Jobin zusammen.
„Vorher dachte man, es gibt nur eine Phase und die initial aktivierten Zellen schalten dann auf Autopilot“, ergänzt Wolfgang Kastenmüller, „aber wie die Besten ausgewählt werden war bisher nicht bekannt.“
Ergebnisse könnten genutzt werden, um Therapien zu verbessern
Die verschiedenen Phasen der Immunantwort basieren auf einer zyklischen Aktivierung der T-Zellen. Nach der ersten Interaktion werden die T-Zellen zunächst desensitiviert und es dauert zwei bis drei Tage, bis sie erneut bereit sind, weitere Signale mit Hilfe ihres T-Zell Rezeptors wahrzunehmen. Dann beginnt die zweite Phase, in der sie erneut instruiert werden.
In chronischen Infektionen sowie bei Krebserkrankungen kommt es immer wieder zu Phasen der Aktivierung und Desensitivierung – daher haben die Ergebnisse Auswirkungen auf Immuntherapien gegen Krebs. So beispielsweise auf Immuntherapien, die bei bestimmten Leukämien und Lymphomen eingesetzt werden. Hier werden körpereigene T-Zellen der Betroffenen genutzt: Sie werden im Labor genetisch verändert und dann als Infusion wieder in den Körper gebracht. Die modifizierten Zellen, sogenannte CAR T-Zellen, erkennen und bekämpfen anschließend die Krebszellen.
„Wir hoffen, dass unsere neuen Erkenntnisse dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die Optimierung von auf T-Zellen basierenden Therapieansätzen zu gewinnen. Und dass wir besser verstehen, warum diese Therapien manchmal scheitern“, erläutert Georg Gasteiger.
Originalpublikation
A distinct priming phase regulates CD8 T cell immunity by orchestrating paracrine IL-2 Signals. Science, 11. April 2025. https://doi.org/10.1126/science.adq1405
Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie
Die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie ist eine gemeinsame Initiative der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mit dem Ziel exzellente immunologische Forschung zu fördern. Die rund 50 internationalen Forschenden aus 24 Ländern wollen die Grundlagen für eine erfolgreiche Immunantwort gegen Infektionserreger, chronisch entzündliche Erkrankungen und Tumore verstehen, um neue Konzepte und Strategien für Impfstoffe und Immuntherapien zu entwickeln.
Dabei untersuchen sie die Entwicklung und Funktion des Immunsystems ganzheitlich auf mehreren Ebenen: von hochauflösenden Analysen einzelner Moleküle und Zellen, über komplexe zelluläre Netzwerke innerhalb von Organen, bis hin zu den systemischen Wechselwirkungen im Körper und mit der Umwelt. Diese Forschungsziele fügen sich hervorragend in das Umfeld der international sichtbaren Forschung zu Infektionskrankheiten und Immuntherapien auf dem Würzburger Life-Science-Campus ein.
Weitere Informationen
Kontakt
Prof. Dr. Wolfgang Kastenmüller, Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie, wolfgang.kastenmueller@uni-wuerzburg.de
Christina Bornschein, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, christina.bornschein@uni-wuerzburg.de