Im einführenden Vortrag ging Prof. Dr. Guido Thiemeyer von der HHU auf das Spannungsfeld zwischen Zeitzeugenberichten und archivischer Überlieferung ein. Ein Thema, das nicht nur bei den zahlreich anwesenden Zeitzeugen, unter ihnen die Künstlerin Katharina Sieverding, die von 1967 bis 1972 in der Klasse von Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf studierte, auf reges Interesse stieß. Die Vielzahl der autobiographischen Veröffentlichungen der 68er-Generation ist eine wichtige für die Geschichtswissenschaft jedoch auch problematische Quelle, so Thiemeyer. Eine Differenzierung hinsichtlich der Akteure aber auch eine soziale und regionale Differenzierung ist mit diesen Publikationen nicht zu leisten. So steht beispielsweise die Erforschung der Ereignisse in der Provinz erst am Anfang - erste Veröffentlichungen liegen zu Hamburg, Göttingen, Köln und Münster vor -, da bislang Berlin und Frankfurt fokussiert wurden.
Über die Kunstakademie Düsseldorf in den Jahren 1967 bis 1969 referierte Dr. Bettina Paust, Leiterin des Joseph Beuys Archiv, das Teil der Stiftung Museum Schloss Moyland und zugleich Institut an der Kunstakademie ist. Sie führte aus, dass Joseph Beuys und seine Visionen einer idealen Akademie diese Jahre entschieden prägten. Die Gründung der Deutschen Studentenpartei im Juni 1967 als Reaktion auf den Tod Benno Ohnsorgs, die Forderung nach neuen demokratischen Strukturen sowie nach Abschaffung des Aufnahmeverfahrens und die Unterstützung der LIDL-Akademie: Beuys trat entschieden für einen erweiterten Kunstbegriff ein, für die Veränderung der Gesellschaft durch Kunst. Beuys pflegte einen individuellen, den herkömmlichen Kunstunterricht aufbrechender Unterrichtsstil und sah sich als Verwalter der Interessen der Studierenden. Kann ein Professor studentische Belange vertreten? Die Beantwortung dieser Frage sei, so Paust, nur mittels interdisziplinärer Forschungen möglich.
Einen ebensolchen Ansatz verfolgt das Lehr-/Forschungsprojekt "1968" und die Folgen in Düsseldorf, dessen Konzeption und Ergebnisse Dr. Thomas Gerhards und Dr. Ute Hinz, beide HHU, vorstellten. Über Fächergrenzen hinweg wurde in zwei Projektphasen (Sommersemester 2017, Wintersemester 2017/18) durch intensive Archiv-/Quellenarbeit ein Stück Zeit-, Universitäts- und Stadtgeschichte erforscht. Für die Studierenden wurde so Geschichte vor Ort greifbar. Zudem bot sich Ihnen die Möglichkeit des forschenden Lernens. Die Ergebnisse des Seminars zusammenfassend verwies Hinz darauf, dass es 1968 in Düsseldorf zwar wenige Proteste in Form von Kundgebungen u. ä. gegeben hat, es existierten jedoch verschiedenen studentische Zeitschriften, in denen engagiert beispielsweise gegen die Notstandsgesetze oder den systemkonformen Wissenschaftsbetrieb protestiert wurde. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Zeitschrift Pro-These und aus dem Bereich der Schulen die Schülerzeitschrift Comene der Schülerschaft des Comenius-Gymnasiums. Zudem wurde 1968 die Basis für die Proteste in den 1970er Jahren gelegt. Im Rahmen des Lehr-/Forschungsprojektes wird von den Studierenden aktuell eine Ausstellung erarbeitet, die ab dem 17. Mai 2018 im Foyer der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf präsentiert wird.
Abschließend richtet Prof. Dr. Reinhold Knopp von der HSD (früher: "Fachhochschule Düsseldorf - FH Düsseldorf") den Blick auf die unterschiedlichen studentischen Protestbewegungen im Umfeld der FH in den 1970er Jahren. Neben politischen und hochschulpolitischen Protesten ging er auf unterschiedlichste Aktivitäten wie beispielsweise die Aktion Wohnungsnot e. V., mit der sich der AStA der Hochschule für mietfreies Wohnen in zum Abriss vorgesehen Häusern einsetzte, und die Gründung der Buchhandlung BiBaBuZe sowie des soziokulturellen Zentrums zakk ein. Dabei verwies er auf die soziologische Perspektive und konstatierte, dass die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben immer eine gesellschaftliche Einbindung erfuhr.
Ergänzend zu den Vorträgen wurden Archivalien aus den beteiligten Hochschularchiven - unter anderem Flugblätter und Fotografien rund um die LIDL-Aktivitäten aus dem Archiv der Kunstakademie und der Aufruf der Düsseldorfer Studentenschaft zum Gedenken an Benno Ohnesorg aus dem Universitätsarchiv - gezeigt, sodass das Publikum Originalquellen in Augenschein nehmen konnte.