Die Autoren Thomas Hess, Julian Nida-Rümelin, Jan Schillmöller und Andreas Wenninger beleuchten in ihrem Gastbeitrag „Soziale Medien und ihre Bedeutung für die Meinungsfreiheit“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wie Veränderungen in der Demokratie und Veränderungen in der Digitalbranche miteinander interagieren. Der Blick wird dabei auf die USA gerichtet, die in den letzten Jahren, geführt von Akteuren wie Donald Trump und Elon Musk, sowohl politisch als auch in den sozialen Medien einen Rechtsruck erlebt haben.
Um ähnliche Entwicklungen in der EU zu vermeiden, gibt es mit dem Digital Service Act (DSA) einen Rechtsrahmen, der zum Ziel hat, soziale Medien stärker in die Verantwortung zu nehmen. Er soll gemeinsam mit der Meinungs-, Presse und Rundfunkfreiheit dazu beitragen, dass Bürgerinnen und Bürger weiterhin die Möglichkeit haben, sich auch in den digitalen Medien sachlich und verlässlich zu informieren. Die Autoren erklären, während die klassischen Medien verschiedene Kontrollinstanzen durchlaufen, können auf den sozialen Medien alle Nutzenden Inhalte verbreiten. Dies bringt Regulierungsprobleme mit sich, die dadurch verstärkt werden, dass die großen Plattformbetreiber nicht in Europa angesiedelt sind und gegebenenfalls auch andere Werte vertreten. Im Moment werden die Plattformen hauptsächlich mit Hilfe von Community Notes kontrolliert. Dabei laufen sie aber Gefahr, nur den politischen und ideologischen Mainstream der Nutzenden zu reproduzieren.
Eine weitere zentrale Herausforderung bei der Regulierung von Inhalten stellt die Definition rechtlicher und sozialer Unerwünschtheiten dar. So stellt sich beispielsweise die Frage, wo die Grenze zwischen Tatsache und Meinung liegt:
Es gibt aber auch einen sehr grundsätzlichen erkenntnistheoretischen Einwand: die naive Unterscheidung von Tatsachen und Meinungen lässt sich nicht durchhalten. […] Vielmehr gibt es ein Kontinuum von ungewissen und unzureichend begründeten Meinungen über besser begründete, sehr gut, ja vielleicht auch wissenschaftlich erhärtete Überzeugungen bis hin zu empirischen Einzelbefunden, deren Widerlegung nur schwer vorstellbar ist.
Als unwahre definierte Tatsachenbehauptungen sollen zwar von der Meinungsfreiheit ausgeschlossen werden, so die Autoren, dies geschieht aber nur so lange, wie sie nicht selbst zur Grundlage oder Voraussetzung einer Meinungsäußerung werden. Der DSA beinhaltet, dass Dienstanbieter gegen „illegale Inhalte“ auf den Plattformen vorgehen müssen. Was unter illegalen Inhalten verstanden wird, entscheidet jedoch jeder Mitgliedsstaat selbst – so fallen unwahre Tatsachenbehauptungen in Deutschland nicht stets unter diese Regulierung.
Den Autoren zufolge bergen soziale Medien nicht nur die Gefahr einseitiger Berichterstattung und Desinformation, sondern bieten auch eine Plattform für Hassreden und können die Demokratie durch Einflussnahme auf Wahlen unmittelbar schädigen.
Um einen verbesserten Meinungsaustausch sicherzustellen sprechen die Autoren drei Maßnahmen im Umgang mit sozialen Medien aus:
- Eine Definition neuer Regulierungen, die spezifisch auf soziale Medien ausgerichtet sind.
- Veränderungen in der Praxis der Selbstregulierung von Plattformen.
- Mehr Transparenz in der algorithmischen Filterung und der Moderation von Inhalten.
ZUM BEITRAG
Soziale Medien und ihre Bedeutung für die Meinungsfreiheit
Autoren des FAZ-Gastbeitrags
Prof. Dr. Thomas Hess
Mitglied im bidt-Direktorium | Professor für Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin
Mitglied im bidt-Direktorium | Professor emeritus für Philosophie und politische Theorie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Jan Schillmöller
Assoziierter Forscher, bidt
Dr. Andreas Wenninger
Forschungskoordinator, bidt
Der Beitrag FAZ-Gastbeitrag über die Bedeutung sozialer Medien für die Meinungsfreiheit erschien zuerst auf bidt DE.