Zwei Publikationen zur Gerste

Die „zirkadiane Uhr“ ist ein komplexer molekularer Mechanismus, mit deren Hilfe sich Organismen auf tägliche wiederkehrende Umweltveränderungen wie Sonnenaufgang und -untergang oder warme Tage und kühle Nächte einstellen.
Diese Uhr besteht aus untereinander verbundenen Regelkreisen, bei denen unterschiedliche Abschnitte des Genoms abgelesen und ausgeführt werden (Transkription). Diese regulieren sich gegenseitig sowie zahlreiche andere Zielgene. Bei Nutzpflanzen steuert die zirkadiane Uhr verschiedene, für den Ernteertrag wichtige Merkmale.
Die Komponenten und Interaktionen der zirkadianen Uhr bei Nutzpflanzen und ihre Auswirkung auf die Genexpression – also die Steuerung, welche Gene im Genom konkret ausgelesen werden und damit in Funktion treten – sind, trotz ihrer Bedeutung, wenig bekannt. Ein Team um Prof. Dr. Maria von Korff Schmising vom HHU-Institut für Pflanzengenetik hat nun die Transkriptome von einer Gerstensorte und Mutanten für bestimmte Uhrgene – bei denen die Funktion der Uhr verändert oder eingeschränkt ist – untersucht, um die Komponenten der zirkadianen Uhr und ihren Einfluss auf das globale Transkriptom der Gerste zu identifizieren.
Sie konnten zeigen, dass etwa ein Viertel aller Gerstengene durch die innere Uhr kontrolliert wird. Das basiert auf der Annahme, dass die durch die Uhr regulierten Gene oszillierende Expressionsmuster über mehrere Tage aufrechterhalten, selbst wenn die äußeren Signale (Tag/Nacht) fehlen („free-running“). Unter Tag-Nacht Bedingungen konnte jedoch die Expression dieser zirkadian-kontrollierten Gene in den Mutanten wiederhergestellt werden, was die nicht-funktionierende innere Uhr kompensiert.
Aus diesen Ergebnissen kann eine mögliche Struktur der inneren Uhr der Gerste und neue Interaktionen zwischen ihren Komponenten vorhergesagt werden. Die natürliche Variation in der zirkadianen Uhr kann möglicherweise dafür genutzt werden, um die Produktivität von Nutzpflanzen zu verbessern.

Prof. Dr. Maria von Korff Schmising und Dr. Agatha Walla (Institut für Pflanzengenetik) untersuchten in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Rüdiger Simon (HHU-Institut für Entwicklungsgenetik) die Sprossarchitektur der Gerste, die maßgebend für den Ertrag von Nutzpflanzen ist. Sie wird bestimmt durch die Entwicklung verschiedener sogenannter Sprossmeristeme, die die Anzahl der Blätter, Seitentriebe, Blüten und Körner kontrollieren. Es ist von großem Interesse, solche Gene und genetische Variation zu identifizieren, die die Entwicklung der Sprossmeristeme und damit die Anzahl an Blättern und Körnern der Pflanze beeinflussen.
In der Publikation in Plant Physiology wird das MANY NODED DWARF1 (HvMND1)-Gen als ein wichtiger Regulator der Sprossarchitektur in Gerste beschrieben. Anhand von Untersuchungen an Mutanten wurde gezeigt, dass HvMND1 den Übergang vom vegetativen Wachstum – bei dem sich die Pflanze als solche entwickelt und in die Höhe wächst – zum reproduktiven Wachstum – die Ausbildung von Blüten und Körnern – fördert. Damit ist es für das Verhältnis von Blüten und Körnern zu Blättern und Halmen mit verantwortlich. Dies geschieht, indem HvMND1 die Anweisungen für den Aufbau einer Acyl-CoA N-Acyltransferase kodiert, welche wiederum die Expression wichtiger Entwicklungsgene und mikroRNAs kontrolliert.
Das Projekt innerhalb von CEPLAS bietet neue Einblicke in die Mechanismen der Pflanzenentwicklung und deren Einfluss auf den Ertrag in der Nutzpflanze Gerste. Die gewonnenen Erkenntnisse sind sowohl für die Grundlagenforschung an Entwicklungsprozessen wichtig, als auch für die Pflanzenzüchtung zur Verbesserung des Ertrags von Getreide.
Originalpublikationen
Müller LM, Mombaerts L, Pankin A, Davis SJ, Webb AAR, Goncalves J, von Korff M (2020) Differential effects of day-night cues and the circadian clock on the barley transcriptome. Plant Physiology DOI: 10.1104/pp.19.01411
Walla A, van Esse GW, Kirschner G, Guo G, Brünje A, Finkemeier I, Simon R, von Korff M (2020) An acyl-CoA N-acyltransferase regulates meristem phase change and plant architecture in barley. Plant Physiology DOI: 10.1104/pp.20.00087